Schon bei unserem kennenlernen war nicht zu übersehen, dass Barry ein paar Kilo zu viel auf den Rippen hatte. Kondition ging gegen null und das Wissen, wie Hund ein Schweineohr frisst, ging ebenso gegen null. Arglos hatte ich ihm ein Schweineohr gegeben und ehe ich reagieren konnte, schluckte er das (GsD kleine) Teil ohne zu kauen hinunter. Dachte schon, dass wir gleich mal einen TA besuchen müssen. Barry sah sehr unglücklich aus, als das Ohr sich, ohne Schaden anzurichten, seinen Weg zum Magen bahnte. Was sein Fressverhalten betraf, tasteten wir uns in der nächsten Zeit langsam vor.

 

Etwas auffangen konnte er auch nicht. Bekam er beim Anblick von Bällen und Stöckchen einen leicht irren Blick, war ihm wohl eher nur das Hinterherlaufen bekannt. Zumindest landete der erste von mir in seine Richtung geworfene Ball (für mich war es normal, dass Hunde einfach danach schnappen) zwischen seinen Augen, was Barry mit einem irritierten Blick quittierte.

 

Spazieren gehen fand er Anfangs nett, aber so wirklich wild war er nicht darauf. Durch sein Übergewicht (dem ich damit begegnete, dass er nur die Menge an Futter bekam, die der kleinere Balu  gefressen hatte) fiel es ihm am Anfang schwer auf unseren Sonntagsrunden Schritt zu halten. Durch die anderen Hunde war er zwar motiviert, aber erst durch die langsamen Steigerungen der Ausflüge an den anderen Tagen, fand er immer mehr gefallen daran.

Die Sommerferien nahten und damit auch die erste große Bewährungsprobe. Eine Woche Binz. Zu Zeiten Balus eine Ferienwohnung gebucht, eigenes Auto nicht vorhanden, also blieb nur Bahn oder Bus. Würde Barry allein einsteigen? Wie würden wir ihn mit seinen langen Beinen "parken" können (Balu hatte unter die Sitze gepasst). Wie würde er auf die Enge reagieren? Und, würde er in der Ferienwohnung auch allein bleiben ohne sich zu beschweren?

Fragen über Fragen.

 

In den paar Wochen, in denen er nun bei uns war, zeigte er sich zwar gelassen, Vorbereitungen und die Ungewissheit wie er sich verhalten würde, half  mir allerdings nicht dabei selbst gelassen zu bleiben. Aber die Sorge stellte sich als unbegründet heraus. Einsteigen, sich einfach hinlegen und die Menschen um sich herum ignorieren, in der Ferienwohnung allein bleiben.... alles kein Problem.

 

Das einzige was ihn Anfangs irritierte, war das Wasser was auf ihn zukam. Das kannte er nicht. Die Gewässer, in denen er sonst schwamm, lagen immer ruhig vor ihm. Das Wasser ging und kam und ging und machte das, was die Ostsee halt so macht. Lange ließ er sich nicht beeindrucken und dann machte er das, was er immer machte: Mit großen Sprüngen in die Wellen springen. Gut das er mit mir zusammen arbeitete und auf mein "zurück zitieren" ohne Diskussionen reagierte. Ihm war natürlich nicht wirklich bewusst (nehme ich einfach mal an), wie groß dieser "Teich" war und schwamm Anfangs so vor sich hin, und somit recht weit hinaus. 

Im Urlaub gingen wir es weiter langsam an, und seine Kondition verbesserte sich weiterhin durch unsere langsam größer werdenden Ausflüge. Bis zum Winter hatte er gut 4-5 Kilo abgenommen und wurde immer aktiver. Die Futterportionen waren nun angepasst, Schweineohren und anderes konnte er nun ohne Gefahr fressen. Das einzige gesundheitliche Problem waren im Winter seine Krallen und seine Ballen waren rosa. Beim Toben über die vereisten Felder riss er sich fast alle Krallen ein. Biotin sei Dank, war das nach einigen Wochen Geschichte, auch bildete sich nach und nach eine "Schutzschicht" auf den Ballen, das Rosa wechselte zu einem Braun. Gesundheitlich waren wir Ende 2002 auf einem guten Stand. 

Bis 2005 war es mehr ein nebeneinander Leben als ein miteinander. Jeder versuchte seine Nische zu 

finden. Zog ein andere Hunde und Unrat auf der Straße ignorierender Barry ein, wandelte sich das mit der Zeit.

  

Sonntags waren wir weiterhin mit der Hundegruppe unterwegs und 2 x die Woche ging es auf den Hundeplatz. Im Nachhinein sehe ich das Ganze als unpassend für ihn an. War er Anfangs aufmerksam aber zurückhaltend bei Hundebegegnungen, wenn wir allein unterwegs waren, veränderte es sich mit der Zeit. Er schaute sich viel bei den anderen Hunden der Gruppenspaziergänge ab und lernte, dass es sich auf jeden Fall lohnt mit anderen Hunden Kontakt aufzunehmen. 

 

War es in der Gruppe nie ein Problem, wurden Begegnungen, wenn ich mit ihm allein unterwegs war, anstrengender. Er meinte Hunden, welche sich ihm in nicht angemessenerer Weise näherten, gern mitteilen zu müssen, was er davon hielt. Über Jahrzehnte kannte ich es, dass Hunde sich respektvoll näherten, schon auf Entfernung zeigten, "wer sie sind" um dann zu entscheiden, ob sie sich in einem Bogen einander näherten oder sich lieber aus dem Weg gingen. Barry Vorstellungen des Kontaktablaufs unterschieden sich mehr und mehr von den meinen. Meine Vorgabe war (und ist es immer noch), dass höflich miteinander umgegangen wird, Auseinandersetzungen in einem kleinen Rahmen als gut empfunden werden, aber das "unterordnen" eines nicht zur Gruppe/Gemeinschaft gehörenden Hundes nicht dazu gehörte.

Ein ruhiger, defensiver Barry verwandelte sich immer mehr zu einem angespannten, offensiven Hund, der nun sogar fremde Taschen durchsuchte in der Hoffnung auf Leckerchen.

 

Nun ist es immer einfacher Dummfug beizubringen, als wieder abzugewöhnen. Durch Dressur lernte Barry null. Ich hatte in den 2 Jahren Verein von "Wissenden" gelernt, dass Hunde durch Sitz, Platz und Fuß erzogen werden, dass Hunde durch Kommandos kontrolliert werden können. 

Ok, im Nachhinein bezweifelte ich das immer mehr, wenn ich die Erfolge Anderer so beobachtete. An irgendwas haperte es immer. Und Erklärungen, wenn der Rückruf nicht so funktionierte, folgte auch immer sehr schnell und leider oft zuungunsten des jeweiligen Hundes. 

Auf dem Hundeplatz und mit Keksen in der Tasche machte Barry so fast jeden "Blödsinn" mit. Ob Sitz, Platz, Fuß, über Hürden hüpfen und was wir noch so alles über die Jahre probiert haben.  Der Hundeplatz war ein Spielplatz und hatte mit dem Alltag nichts zu tun.

Das zeigte mir Barry bis 2005 deutlich. Er gab sich redlich Mühe mir deutlich zu machen, dass Zusammenarbeit anders aussieht. Die Leichtigkeit, welche ich vor der "Hundeszenezeit"  mit Hunden hatte, war nicht mehr wirklich vorhanden. Mein Bauchgefühl wurde mehr und mehr durch "Verkopfen" abgelöst.